In den letzten Wochen des scheidenden Jahres 2020 sind drei bedeutende Persönlichkeiten heimgegangen, die vielen von uns in unterschiedlicher Weise sehr viel bedeuten. Prof. Dr. Christoph Richter, Musikdidaktiklehrer an der Universität der Künste Berlin (19. April 1932 – 26. Oktober 2020), Prof. Dr. Dankmar Venus, Musikpädagogiklehrer an der Pädagogischen Hochschule Göttingen (25. Mai 1929 – 7. Dezember 2020) und, drei Tage vor Silvester, Prof. Dr. Günther Katzenberger, Musikwissenschaftslehrer an der Musikhochschule Hannover (25. Mai 1937 – 28. Dezember 2020). In drei Nachrufen erinnern wir an diese drei Persönlichkeiten.
Dies ist eigentlich EIN Nachruf für drei Persönlichkeiten, die vielen von uns in unterschiedlicher Weise sehr viel bedeuten, ein Nachuf auch stellvertretend für andere, die uns vielleicht im letzten Jahr verlassen haben, von denen wir im Vorstand keine Nachricht erhalten haben. Wenn Sie bemerken, dass wir jemanden übersehen haben: zögern Sie bitte nicht, uns darauf aufmerksam zu machen.
Prof. Dr. Christoph Richter
19. April 1932 – 26. Oktober 2020
Mit Christoph Richter verlässt uns die letzte der ganz großen prägenden Musikdidaktiker-Persönlichkeiten. Christoph Richter ist zwar nicht der Erfinder des Begriffs der Didaktischen Interpretation, aber doch derjenige, der daraus ein musikdidaktisches Konzept gemacht hat. Er war es, der an die Stelle des „Verstehens“ den weiter gefassten Begriff der „Erfahrung“ gesetzt hat. In einer Zeit, als es einen Boom der Lernzielorientierung und der Operationalisierung gab (ja, ja: Geschichte wiederholt sich…) beharrte Christoph Richter darauf, dass die „Sache Musik viel pädagogischer sei, als der Pädagoge weithin glaubt“. Für ihn bedeutete „Sachlichkeit“ nicht den Vorrang der Sache vor den Menschen, sondern, dass erst die Ernsthaftigkeit an der Sache „den Menschen zu sich selbst befreit“.
Christoph Richter hat über „Musik als Spiel“ promoviert, die Gedanken seiner Dissertation haben lebenslang seine Gedanken, sein Lehren durchzogen.
Christoph Richter war jahrelang einer der Redakteure von „Musik und Bildung“. Er begründete, als einer bis dahin würdigen musikpädagogischen Fachzeitschrift das theoretische Diskutieren abkömmlich erschien, kurzerhand die „Diskussion Musikpädagogik“, die bis heute erscheint; wer weiß, ob er nicht auch noch Maß gebend am jüngst erschienenen Heft 88 mitgewirkt hat, das Anfang Dezember, dem Anlass gemäß, schwarzgewandet im Briefkasten lag. Über die Liste all der Publikationen, die er geschrieben, herausgegeben, betreut hat, könnte Leporello eine zweite Registerarie singen.
Christoph Richter wurde – geboren im April 1932 – gesegnete 88 Jahre alt. Es ist dies kein Tag der Trauer, sondern ein Grund zur dankbaren Rückschau und zum ehrfurchtsvollen Abschied. Es ist auch ein Anlass, im nächsten Heft Noten&Notizen diese große Persönlichkeit auf ein paar Seiten zu würdigen.
Lassen Sie uns Prof. Dr. Christoph Richter
in tiefer Verneigung das letzte Geleit geben.
Prof. Dr. Dankmar Venus
25. Mai 1929 – 7. Dezember 2020
Dankmar Venus ist eine bedeutende Musikdidaktiker-Persönlichkteit gewesen, und es ist ein Glücksfall, dass er bei uns in Niedersachsen gewirkt hat. Die ihn kannten, hören nicht auf, seine liebenswürdige Herzlichkeit zu rühmen und sein charismatisches Lehren. Er war eine eindrucksvolle Persönlichkeit.
Seine Methodik der Hörerziehung („Unterweisung im Musikhören“, 1969) ist eine der Maß gebenden Publikationen Ende der 60er Jahre gewesen. Sie entwirft erstmals ein musikdidaktisches Integrationsmodell aus „Produktion, Reproduktion, Transposition, Rezeption und Reflexion“. Sie nimmt damit wesentliche Integrationsschritte vorweg, die in den 1970er Jahren aufgegriffen wurden. Seither hat er sich mit der Frage befasst, wie die Pendelausschläge des Faches in ihrem Sinn und mitunter Unsinn unter einen übergeordneten Blick („Sache – Ich – Wir“) gebracht werden können.
Dankmar Venus hat unsere Arbeit im Fachverband in seinem letzten Lebensjahr maßgeblich mitgeprägt. Wir gratulierten herzlich zu seinem 90. Geburtstag 2019. Daraus entsprang eine glückliche Zusammenarbeit an der Herausgabe seines Vortrags von 2009: Es wurde die VDS-Jahresgabe 2020, Dankmar Venus‘ letzte Publikation.
Lieber Dankmar,
Dein Abschied kam, so lange angekündigt,
Am Ende als Trost und Erlösung.
Fahr wohl! Wir winken dir nach.
Und danke für alles.
Der Verband Deutscher Schulmusiker Niedersachsen
Prof. Dr. Günther Katzenberger
25. Mai 1937 – 28. Dezember 2020
Mit Prof. Dr. Günther Katzenberger verlässt uns einer, den viele Musiklehrerinnen und Musiklehrer in Niedersachsen als eine der liebenswürdigsten Dozentenpersönlichkeiten der hannoverschen Musikhochschule in Erinnerung behalten. Seine Bescheidenheit, sein versteckter Humor, seine Bereitschaft, sich auf alle Aufgaben, Anfragen und Zumutungen einzulassen, bleiben vermutlich bei allen, die ihn kannten und mit ihm zu tun hatten, positiv im Gedächtnis. Er war ein Professor, der das Wort Nein nicht kannte. Wohl auch deshalb wurde er zum musikhistorischen Universalgelehrten. Sein Wissen, sein musikgeschichtliches Gedächtnis werden als legendär gerühmt. Kein Examensarbeitsthema wies er zurück, von Brahms‘ „Schöner Magelone“ bis hin zur Zeichentheorie Newmans.
Er kam 1970 als ganz junger Dozent an die Hochschule und blieb ihr bis zu seiner Emeritierung 2002 treu. Unzähligen Studentinnen und Studenten, die in der damals noch sehr stark vom Instrumentalunterricht geprägten Musiklehrerausbildung kaum einmal aus ihrer Übezelle auftauchten, vermittelte er behutsam den Einstieg in musikgeschichtliche Fragestellungen. Kein Aufhebens machte er davon, dass er in seinem Portfolio auch eine Klavier- und Kapellmeisterausbildung mitbrachte.
Über etliche Jahre, in Nachfolge von Hermann Danuser, dann Klaus-Ernst Behne, war Günther Katzenberger stellvertretender Vorsitzender der Hannoverschen Gesellschaft für Neue Musik (HGNM). Für etliche Jahre war er Vorsitzender des Hannoverschen Künstlervereins (mit Sitz im Künstlerhaus Sophienstraße).
Einer, der viel schrieb, war er nicht, das unterschied ihn von einigen seiner Kolleginnen, Kollegen und Nachfolger. Aber wenn er gefragt wurde, half er unermüdlich mit und ging mit Engagement und Akribie zu Werke. So bei der Festschrift für Prof. Dr. Heinrich Sievers, die er gemeinsam mit Richard Jakoby 1978 herausgab; oder bei der HGNM-Ausstellung „Kulturaustreibung“ zur Musik in Niedersachsen 1933-1945 am Marktplatz Hannover; oder im Rahmen des Vortragszyklus „Vom Einfall zum Kunstwerk“, dem er 1993 gemeinsam mit Prof. Dr. Hermann Danuser gestaltete, und in dessen Rahmen er den Vortrag über Richard Strauss hielt, und dessen prachtvoller Tagungsband zu den schönsten und wichtigsten Werken des Musik-Schrifttums gezählt werden darf.
Ungezählte Schulmusikerinnen und Schulmusiker in Niedersachsen und weit darüber hinaus,
lieber Herr Prof. Dr. Katzenberger,
werden Ihnen ein fachlich ehrendes und ein menschlich gerührtes Gedenken bewahren.
Ihr Verband Deutscher Schulmusiker Niedersachsen
